Dorfkirche Wustrau

Wustrau

Am südwestlichen Ende des rund 22 Kilometer langen Ruppiner Sees liegt Wustrau. So malerisch das Dorf selbst, so ungewöhnlich reichhaltig ausgestattet und ornamentiert ist auch die Dorfkirche. Nur wenige der märkischen Dorfkirchen können als so prachtvoll gelten.

mehr…

Von der ursprünglich im 13. Jahrhundert gebauten rechteckigen Saalkirche ist heute allein ein vermauertes Spitzbogenportal mit Backsteinlaibung auf der Nordseite der Kirche erkennbar. Das ist alles. Zweimal brannten Kirche und ihre Nebengebäude im 17. Jahrhundert nieder und zweimal, 1694 und 1756, ging auch noch der Kirchturm nach Blitzeinschlägen in Flammen auf.  Bis Ende des 18. Jahrhunderts erfolgte die barocke Erneuerung der Kirche, die 1781  ihren Abschluss mit dem Bau des ansehnlichen, viergeschossigen  Westturms fand. Wegen Platzmangel wurde Ende des 19. Jahrhunderts die Kirche noch einmal nach Osten hin verlängert und eine fünfachsige Apsis angefügt.

Schaut man ins Innere der Kirche ist man von der Fülle neoromantischer, neogotischer und neobarocker Formen überwältigt. Die Wandbemalung und Glasmalereien vervollständigen den Eindruck hier ein Gesamtkunstwerk betrachten zu können.

Dass überdies eine Fülle gotischer Schnitzwerke, darunter ein prachtvoller Altaraufsatz (Altarretabel), sechs Apostelfiguren und die Trauernden Maria und Johannes den Ort bereichern, ist der Sammlung „vaterländischer Altertümer“ der Gutsbesitzerfamilien von Zieten und von Schwerin zu verdanken.

 „Die Gleichheit aller Menschen ist mir heilig“

So selbstverständlich uns dieser Satz heute scheint, so wenig selbstverständlich ist seine Umsetzung. Hier in Wustrau, wo Kirche, Schloss und Dorfkern anschauliche Zeugnisse brandenburgisch-preußischer Geschichte sind, widmen wir uns einem Thema, das bisher noch (zu) wenig aufgearbeitet wurde: Die brandenburgisch-preußischen Kolonien.

„Die Gleichheit aller Menschen ist mir heilig“

YouTube-Kirche-Wustrau
Kolonialismus und Widerstand in der Geschichte Brandenburg-Preußens (Christian Kopp)

Langsam aber sicher richtet sich die Aufmerksamkeit der breiteren Öffentlichkeit auf einen Aspekt der Regionalgeschichte, der einst glorifiziert und ab 1945 dann weitgehend ignoriert worden ist. Menschen, die Rassismus erfahren und Nachfahren Kolonisierter – hierzulande und weltweit – fordern auch von Berlin-Brandenburg, seine Beteiligung an Europas kolonialer Unrechtsherrschaft in allen Teilen der Welt kritisch aufzuarbeiten.

Besonders deutlich wird das an der immer breiter werdenden Debatte um das teilrekonstruierte Humboldt Forum/Berliner Schloss. Denn bei dem symbolträchtigen Großprojekt handelt es sich nicht nur um die demonstrative Wiedererrichtung des preußischen Königs- und Kaiserschlosses an Stelle des von der DDR errichteten Palastes der Republik. Durch die darin geplante Ausstellung der außerhalb Europas angeeigneten Kulturschätze der Stiftung Preußischer Kulturbesitz rückt zwangsläufig auch Brandenburg-Preußens verdrängte Kolonialgeschichte in den Fokus.

So hat den Ausbau des Schlosses und die Anlegung einer ersten Sammlung von Schätzen aus aller Welt Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) vorangetrieben, der – gemeinsam mit seinem Sohn Kurfürst Friedrich III. / König Friedrich I. (1657-1713) – verantwortlich war für die Verschleppung von ca. 20 000 Menschen westafrikanischer Herkunft in die Amerikas. Deren Versklavung wurde im späten 17. Jahrhundert unter anderem über die Kolonialfestung „Groß-Friedrichsburg“ im heutigen Ghana organisiert. In Berlin mussten Menschen afrikanischer Herkunft am Hofe dienen, wovon bis heute diverse Kirchenbücher und Gemälde sowie der abwertende Name „Mohrenstraße“ zeugen.

Mit dem Schloss verbindet sich zudem die Regierung Kaiser Wilhelms I., dessen Kanzler Bismarck 1884/85 die Kolonialmächte Europas, die USA und das Osmanische Reich zur berüchtigten Berliner Afrikakonferenz einladen ließ. Schamlos wurde dabei im Palais des Reichskanzlers über die weitere Aufteilung des afrikanischen Kontinents verhandelt, an der nun auch Deutschland beteiligt sein wollte. Heute findet sich am Ort des Geschehens ein Veranstaltungsraum des Pilotprojekts „Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt“.

Schließlich steht das Berliner Schloss für die Regierungszeit des preußischen Königs und deutschen Kaisers Wilhelm II. (1888-1918), die von einem besonders aggressiven Kolonialismus und Imperialismus gezeichnet war. So forderte dieser beim Überfall auf China im Jahr 1900, den Verteidigern „kein Pardon“ zu gewähren. Im ehemaligen „Deutsch-Ostafrika“ wurden während des antikolonialen Maji-Maji-Krieges 1905-07 etwa 300 000 Kinder, Frauen und Männer getötet. Und an den widerständigen Ovaherero und Namas im heutigen Namibia begingen die von Berlin aus geschickten Truppen gar einen Völkermord.

Mehr: https://www.dekoloniale.de/de/about

 

In Wustrau bietet sich der Besuch des Brandenburg-Preußen Museums an (Eichenallee 7a). Es befindet sich in der Nähe der Kirche. Hier gewinnen Sie einen Überblick über die Geschichte Brandenburgs und Preußens von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges und der Hohenzollernherrschaft 1918.

Ihr seid am Ende des Pilgerradwegs angekommen.

Ihr seid geradelt, habt vieles erfahren, vielleicht diskutiert und gegrübelt.
Wir wünschen Euch, dass dieser Weg Euch noch weiter begleitet:

Die Bilder und Begegnungen, die Fragen und Themen, die Bewegung mit Körper, Geist und Herz!

Von Wustrau Kirche zum Bahnhof Wustrau-Radensleben (3,2km)

Um zum Bahnhof zu kommen radelt ihr von Wustrau zurück nach Altfriesack und folgt weiter der Straße Richtung Radensleben.

Von Wustrau weiter um den See bis Neuruppin (5-7km)

Mit Blick auf die Kirche die Zietenstraße nach rechts fahren und weiter auf „Hohes Ende“. Von dort geht der Radweg über Treskow nach Neuruppin ab.